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Gebet der Verbundenheit

Nach Golgatha - um der Hoffnung willen


Donnerstag, 19. März 2020, 19.00 Uhr

Liturgie für eine Abendandacht zu Hause

Mit einer Kerze im Fenster erleuchten wir die Nacht - Christus ist das Licht der Welt - er bringt Heiligkeit in jegliche Finsternis

 
Guten Abend liebe Mitbetende
 
Eigentlich hätten diese Andachten am Dienstag und Donnerstag in der Kirche stattfinden sollen. Doch als Prävention gegen die Ausbreitung des Covid-19, als Schutz gegenüber den gefährdeten Menschengruppen und aus Rücksicht gegenüber dem Pflegepersonal dürfen wir im Moment keine Gottesdienste mehr in der Kirche feiern. Darum verlagern wir siie in die eigenen vier Wände.
Dennoch feiern wir gemeinsam diese Andacht.
 
Wir sind in der Passionszeit. Wir sind unterwegs nach Golgatha.
Auch wenn der Tod Christi ein schreckliches Martyrium gewesen ist, so bedeutet es für uns Hoffnung. Erlösung aus der Gottesfernen. Überwindung des endgültigen Todes.


Paulus schrieb im 1. Korintherbrief: «Glaube, Liebe, Hoffnung – aber die Grösste unter ihnen ist die Liebe.». Am Kreuz auf Golgatha schenkt uns Gott eine Hoffnung, die auch den Tod überwindet und bietet uns einen Glauben an, der stark und frei macht – auch in der Bedrängnis.
 
So lade ich Sie ein – liebe Leserin und lieber LeseR – mit mir die Zeit der Andacht zu feiern.
 
Mit herzlichem Gruss, Pfrn. Nadine Hassler Bütschi

Bibellektüre aus Johannes 3, 1-8


Da sitzen sie sich gegenüber, Jesus und Nikodemus.

Nun entwickelt sich ein tiefsinniges Gespräch zwischen den Beiden. Das heisst – eigentlich wäre das Gespräch ziemlich schnell zu Ende, wenn man sich nur an den Bibeltext hält. Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass Johannes stark zusammengefasst und theologisch verdichtet hat, was damals von und über Jesus erzählt wurde.
 
Versuchen wir also, das Gespräch ein wenig zu entfalten und damit dem tiefsinnigen Gedankengang genauer auf die Spur zu kommen.
Nikodemus eröffnet: «Rabbi, wir wissen, dass Gott dich gesandt und dich als Lehrer bestätigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Wunder vollbringen, wie du sie tust.»

Eigentlich ist das fast ein bisschen oberflächlich; es hört sich beinahe so an, als wollte Nikodemus Jesus seine Anerkennung aussprechen oder ihm sogar schmeicheln. Aber Jesus kommt gleich zur Sache: «Amen, ich versichere dir: Nur wer von oben her, von neuem geboren wird, kann Gottes neue Welt zu sehen bekommen.»

Ich denke, mit diesem Gedanken des neuen Lebens, der Wiedergeburt, will Jesus Nikodemus sagen: «Dass ich im Namen Gottes wunderbare Dinge tue, ist jetzt nicht so wichtig. Du hast doch eigentlich ganz andere Fragen: Wer bin ich? Kann ich mich selbst annehmen? Was muss neu werden bei mir? Wohin führt mein Weg?» 

Jesus sieht in Nikodemus einen Menschen, der von allen Sicherheiten entblösst ist. Ein Mensch – wie wir, in Anbetracht der Corona Krise.
Und Jesus gibt Nikodemus zu verstehen: worauf es ankommt, ist die Erneuerung, worauf es ankommt ist, dass du ein neuer Mensch wirst.
 
Nikodemus wird zustimmen: «Aber wie finde ich einen Weg? Wie schaffe ich das? Ich habe begriffen, dass der Weg der Pharisäer nicht zum Ziel führt.»
 
Jesus: «Das ist richtig. Ihr Pharisäer bemüht euch von Herzen – jedenfalls viele von euch! - ein Leben im Sinne Gottes zu gestalten. Aber euer Weg ist falsch! – So etwas kann man aus eigener Kraft gar nicht schaffen. Amen, ich versichere dir: Nur wer von Wasser und Geist geboren wird, kann in Gottes neue Welt hineinkommen.»

Nikodemus wird nun vollends verunsichert: «Eine neue Geburt – das kann kein Mensch!» Jesu schaut ihn lange an; dann sagt er: «Du hast mich immer noch nicht verstanden, Nikodemus. Wenn du die Erneuerung selbst suchst, plagst du dich vergeblich. Aber das musst du nicht: Die Erneuerung kommt von Gott. Ein kleines Kind kann sich nicht selbst auf die Welt bringen, sein Leben ist ein Geschenk in der Taufe.» Das will Jesus mit dem Hinweis auf Wasser und Geist ausdrücken.
 
Nikodemus findet vielleicht keinen Zugang zu den Worten Jesu: «Wozu brauche ich die Taufe? Das ist doch nur etwas Äusserliches!»
«Nein», sagt Jesus, «das stimmt nicht. Damit man Gottes Geschenk aussieht und hört und mit allen Sinnen spürt, gibt es die Taufe. Und noch etwas: Die Taufe ist der feste Grund deines Lebens, auf den du dich verlassen kannst.»
 
Wir wissen nicht, wie die Sache Jesu mit Nikodemus ausgegangen ist. Er wird in der Bibel nie wieder erwähnt.
Aber das ist auch nicht wichtig – denn es geht nicht um diesen Mann vor 2000 Jahren, es geht um seine Erfahrungen, die er mit Jesus gemacht hat.
 
Diese Erfahrungen haben immer wieder Menschen mit Nikodemus geteilt. Ich will nur von einem erzählen: Martin Luther.
Oft steht er uns ja als ein standfester, unerschrockener, glaubensstarker Mensch vor Augen. Aber in Grunde war er einer wie Nikodemus, ein Mensch wie wir. Oft genug hat er berichtet, wie er keine Antwort auf seine Fragen nach Glauben und Leben wusste, wie ihn den Mut verliess. Er erzählt, dass er in solchen Momenten ein Stück Kreide genommen und auf den Tisch geschrieben habe: ICH BIN GETAUFT.
 
Er wusste: auch wenn alles zu schwanken scheint…Ich bin getauft – Gott ist grösser, bei ihm habe ich Boden unter den Füssen. Auch wenn ich mich nicht mehr auf mich selbst verlassen kann…Ich bin getauft – Gott ist grösser auf seine Verlässlichkeit kann ich bauen. Mein Herz ist unruhig und ängstlich…Ich bin getauft – Gott ist grösser als mein Herz, bei ihm finde ich Trost, Frieden. Kraft. Hoffnung. Zuversicht.
 
Luther ist sogar einen Schritt weitergegangen. Er schreibt einmal: «Was schert mich mein Glaube» - also: «was geht mich mein Glaube an?»
Ein unmöglicher Satz! Aber das ist nicht alles, was Luther sagte: «was schert mich mein Glaube», sagte er, «Christus ist hier». Der eigene Glaube, die eigenen Zuversicht sind oft genug unzuverlässig und tragen nicht weit. Gut, dass es etwas gibt, auf das ich mich felsenfest verlassen kann.
 
200 Jahre nach Luther schrieb der Dichter Matthias Claudius: «Etwas Festes muss der Mensch haben, daran er zu Anker liege, etwas, was nicht von ihm abhängt. Sondern davon er abhängt.
 
Das ist auch eine Nikodemus Erfahrung: Etwas, was einfach da ist, worauf ich bauen kann. So lädt Nikodemus auch uns ein, an seinen Erfahrungen teilzunehmen.
Gerade im jetzigen Moment, wo der Coronavirus unseren Alltag auf den Kopf gestellt hat, wo wir uns verunsichert und ängstlich fühlen.
Wo eine Schreckensnachricht die andere jagt.
Gerade jetzt können uns die Erfahrungen des Nikodemus helfen wieder eine Perspektive zu finden.
 
Dabei sind mir besonders zwei Dinge wichtig geworden: ICH BIN GETAUFT – das ist das Erste, das wir mitnehmen können.
Es gibt eine verlässlich Basis für unser Leben und unseren Glauben. Wir werden wohl kaum diesen Satz mit Kreide auf den Tisch schreiben – es kommt überhaupt nicht auf das Schreiben an, aber es könnte meine Erinnerung fest machen, die Erinnerung an den Grund, auf dem ich stehe, an die Kraft, die mich erfüllt.

Und wer nicht getauft ist? Ich denke, die Taufe ist ein starkes Zeichen, dass Gott mit uns ist. Aber jeder, der von Herzen nach ihm fragt – wie Nikodemus – kann sich auf seine Verheissungen berufen.
 
Das Andere: Gott schenkt mir neue Lebensmöglichkeiten: wo ich mich klein fühle, macht er mich gross. Wo ich den Weg nicht kenne, geht er voran. In einem Glaubensbekenntnis aus unserer Zeit habe ich gefunden, was das bedeuten kann:

Gott,
Du bist grösser als meine Zerrissenheit und meine Sehnsucht,
grösser als meine Ratlosigkeit und Angst.
 
Du bist grösser als meine Verwirrung,
grösser als meine Orientierungslosigkeit,
grösser als meine Ohnmacht.
Du bist grösser als mein Zorn und meine Wut.
 
Du bist grösser als meine Zerschlagenheit,
grösser als meine Müdigkeit und meine Schwermut.
Du bist grösser als meine tiefe Trauer.
 
Deine Grösse erschrickt nicht, sie ermutigt;
Sie verurteilt nicht, sondern spricht frei;
Sie drückt nicht zu Boden, sondern erhebt.
 
Auf Deine sanfte Grösse setze ich.
Auf Deine zarte Macht baue ich.
An Dich glaube ich.

 
(Nach einer Idee von Horst Klaus Berg / Der Himmel geht über allen auf /
Calwer Verlag 2005)

Das Lied "Meine Hoffnung und meine Stärke" anstimmen.

   

Gebet (liturgisches Institut)


Gott, unser Leben und Licht,
viele Menschen haben heute Abend eine Kerze entzündet. Es ist ein Zeichen: dein Licht leuchtet in unsere Nacht. Seit Menschengedenken ist das so - auch in dieser Stunde. Wir danken dir/Ich danke dir. 

Stehe allen bei, deren Leben in Gefahr ist. Schütze alle, die im Gesundheitswesen arbeiten. Stärke alle, die in der Corona-Pandemie Verantwortung übernehmen und schwierige Entscheidungen treffen müssen.
 
Gott bei den Menschen,
wir teilen/ich teile das Licht mit allen, die eine Kerze ins Fenster stellen. Es ist ein Zeichen: in dir sind wir verbunden mit Christinnen und Christen und mit vielen anderen Menschen - eine weltumspannende Gemeinschaft. Wir danken/Ich danke dir.
Sei allen nahe, die isoliert und einsam sind. Schenke Gelassenheit und Geduld, wo in Beziehungen und Familien die ständige Nähe zur Belastung wird. Stärke unsere Solidarität.
 
Gott unsere Hoffnung,
wir kommen/ich komme zu dir mit Gedanken, Sorgen, Gebeten. Die Kerze ist ein Zeichen: du bist da, hier, jetzt – wie auch immer es weitergeht in dieser schwierigen Lage. Wir danken dir/ich danke dir.
Schütze uns. Sei den Sterbenden nah. Führe die Verstorbenen zu deinem wärmenden Licht.


 
(Sie können weitere Bitten oder die Namen von Personen ergänzen.)

 
In deinem Licht geborgen beten wir:
 
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gibt uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.


Unsere nächste Liturgie wird am Dienstag, 24. März 2020 aufgeschaltet.